Achtung! Steuerliche Fallstricke bei Abspaltungen und Aktiensplits

Aktiensplits oder Abspaltungen (Spin-Offs) von ausländischen Unternehmen bereiten deutschen Anlegern oft steuerliche Probleme. Die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung ist gesetzeswidrig und wurde durch höchstrichterliche Entscheidungen in die Schranken verwiesen. Alles rund um die steuerlichen Fallstricke findest du in diesem Blogartikel.

Inhaltsverzeichnis

    1. Bisherige Auffassung der Finanzverwaltung gesetzeswidrig

    Kapitalmaßnahmen ausländischer Unternehmen wie der Aktiensplit von Google im April 2014 (siehe 1.2) als auch der Spin-Off Vorgang von Hewlett-Packard 2015 (siehe 2.1) führten zum Steuerabzug. Das war falsch, wie sich im Nachhinein herausstellte.

    In beiden Fällen ist die Finanzverwaltung bisher davon ausgegangen, dass es sich um Ausschüttungen von Sachdividenden handelt.

    Ärgerlich für die Anleger ist das insofern, da sich am Depotwert durch die Vorgänge nichts änderte. Trotzdem wurden Kapitalertragsteuern von den Depotbanken abgeführt. Letztendlich hatten die deutschen Aktionäre durch den Steuerabzug am Ende weniger.

    1.1 Steuereinbehalt der Depotbanken

    Die inländischen Depotbanken handeln nach den Anweisungen der Finanzverwaltung. Sie sind Schuldner der Kapitalertragsteuer. Das heißt, dass sie verpflichtet sind, die Steuern an der Quelle für den Fiskus einzubehalten und abzuführen. Vergleichbar ist das mit deinem Arbeitgeber, der die Lohnsteuer für dich einbehält und abführt.

    Somit konnten die Depotbanken zum jeweiligen Zeitpunkt nicht anders, und behielten von den Anlegern die entsprechenden Steuern ein und zahlten weniger aus. 

    1.2 Aktiensplit von Google (2014)

    Ähnlich war es im Fall des Google-Aktiensplits im April 2014: Jeder Anleger erhielt für eine A-Akie eine weitere C-Aktie (ohne Stimmrechte) in sein Depot gebucht. Auch hier wurde der Aktiensplitt wie eine Ausschüttung einer Sachdividende angesehen, denn die C-Aktien hatten eine andere WKN (Wertpapierkennung) erhalten. Auf den Kurs der C-Aktien wurden von den Depotbanken Kapitalertragsteuern einbehalten.

    Erst 15 Monate später und nach einigem Hin und Her korrigierte die Finanzverwaltung ihre Ansicht und verneinte eine Steuerpflicht (BMF-Schreiben vom 08.07.2015).

    2. Gericht auf Seiten der Steuerpflichtigen

    2.1 Der Fall Hewlett-Packard (2015)

    Der Bundesfinanzhof (BFH) entscheidet gegen die bisherige Verwaltungsauffassung und für den Steuerpflichtigen. In den Urteilen vom 01.07.2021 schaffte der BFH nunmehr Klarheit (VIII R 9/19, VIII R 19/20 und VIII R 6/20). In allen Urteilen ging es konkret um die Abspaltung (Spin-Off) ("Spin-Off") als Kapitalmaßnahme der Hewlett-Packard Co. aus November 2015.

    Zuerst wurde die Hewlett-Packard Co. (HPC) in Hewlett-Packard Inc. (HPI) umbenannt; die HPC gab es in der Form also nicht mehr. Danach fand eine Abspaltung (Spin-Off) von Anteilen in eine neu gegründete Tochtergesellschaft (Hewlett-Packard Enterprise; HPE) statt. Die Aktionäre hatten für je eine Hewlett-Packard Co.-Aktie eine Aktie der umbenannten Muttergesellschaft HPI und zusätzlich eine Aktie der Tochter (HPE) erhalten.

    Hewlett-Packard - Abspaltung 2015

    Abspaltung Hewlett-Packard 2015

    2.2 Gute Nachrichten für die Steuerpflichtigen

    Der BFH widerspricht der Finanzverwaltung und sieht in der ausländischen Abspaltung (Spin-Off) für deutsche Anleger keinen steuerpflichtigen Vorgang. 

    Die Richter begründen das wie folgt:

    - Die übernommenen Anteile treten an die Stelle der bisherigen Anteile.

    - Die Übertragung der Vermögenswerte erfolgt in einem einheitlichen und sachlichen Zusammenhang.

    Bei der konkreten Kapitalmaßnahme handelt es sich nach Meinung der Richter um einen steuerneutralen Vorgang: Sie bejahten die Anwendung des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG auch für Kapitalmaßnahmen ausländischer Gesellschaften. Damit ist die Besteuerung Deutschlands nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt und der Vorgang ist für den Steuerpflichtigen als steuerneutral zu werten.

    Daneben gab es 2021 zwei weitere Urteile des BFH zu dieser Thematik. Diese ergingen bezüglich der Kapitalmaßnahmen zweier namhafter, amerikanischer Unternehmen: eBay Inc. in  2015 (BFH-Urteil vom 01.07.2021, Aktenzeichen VIII R 15/20) und Kraft Foods Inc. in 2012 (BFH-Urteil vom 19.10.2021, Aktenzeichen VIII R 7/20). 

    3. Die Finanzverwaltung reagiert

    Mit Schreiben vom 15.06.2022 reagiert das Bundesministerium der Finanzen (BMF) auf die Rechtsprechung. Hierin wird zu der Abwicklung der Kapitalmaßnahmen der Hewlett-Packard Company, eBay Inc. und Kraft Foods Inc. Stellung genommen.

    Die Grundsätze der Urteile sind in noch allen offenen Fällen anzuwenden. Da der Vorgang steuerneutral ist, ist der bisher angesetzte steuerpflichtige Kapitalertrag entsprechend zu mindern.

    Die Depotbanken waren bisher verpflichtet, die Steuern einzubehalten und abzuführen (siehe 1.1). Laut BMF-Schreiben vom 15.06.2022 ist bei den Abspaltungen der drei Unternehmen nichts weiter von den Depotbanken zu veranlassen. Folgen aus den ergangenen BFH-Urteilen sind ausschließlich über die Steuererklärung zu korrigieren.

    Die ursprünglichen Anteile sind auf jedoch in "alte" und "junge" Anteile aufzuteilen. Durch eine Gesetzesänderung muss zudem unterschieden werden, ob die ursprünglichen Anteile vor dem 01.01.2009 (Anteilskauf bis einschließlich 2008 -Fallgruppe I) oder nach dem 31.12.2008 (Anteilskauf ab 2009 - Fallgruppe II) erworben wurden. Beide Fallgruppen ziehen durch eine damalige Gesetzesänderung unterschiedliche steuerliche Behandlungen mit sich.

    Auf die Besteuerung der unterschiedlichen Anteile bei deren Veräußerung als auch auf mögliche Vereinfachungen geht das BMF-Schreiben vom 15.06.2022 ein.

    4. Abspaltung bei deutschen Unternehmen - Daimler AG (2021)

    Im Dezember 2021 hatte die Daimler AG die Abspaltung ihrer Lkw-Sparte vorgenommen. Die Aktionäre der Daimler AG haben für zwei Aktien eine zusätzliche Aktie der Daimler Truck Holding AG erhalten.

    Eine offizielle Stellungnahme der Finanzverwaltung zur steuerlichen Behandlung der Daimler-Abspaltung gibt es noch nicht. Es spricht vieles dafür, dass auch bei deutschen Abspaltungen § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG anzuwenden ist. 

    Das sieht auch die Daimler AG so und schätzt den Vorgang in ihrem Spaltungsbericht (Rz. 709 und 710) steuerneutral ein. Folglich müssen deutsche Privatanleger dann auch hier keinen Kapitalertrag versteuern.

    5. Fazit

    Aktiensplits oder Abspaltungen (Spin-Offs) bereiten deutschen Anlegern oft steuerliche Probleme. Durch die ergangenen Gerichtsurteile wird Rechtssicherheit geschaffen.

    Nichtsdestotrotz, die Finanzverwaltung legt im Zweifel die Gesetze pro-fiskalisch aus. Dies führt oft zu höheren Steuereinbehalten, was zulasten der Steuerpflichtigen geht.

    Die Finanzämter müssen nach dem BMF-Schreiben handeln, sie vertreten die Verwaltungsmeinung. Depotbanken hingegen tun es oft, um nicht selbst belangt zu werden und entscheiden dann zuungunsten der Anleger.

    Die Gerichte sind hingegen legen die Gesetze aus. Ihre Entscheidungen ergehen daher zugunsten der Steuerpflichtigen, wie in den genannten Fällen, aber auch zuungunsten. Wie man sieht, ergehen Urteile allerdings erst Jahre später. Die BFH-Entscheidungen 2021 betrafen Kapitalmaßnahmen von vor neun oder sechs Jahre zuvor.

    Höchstrichterliche Entscheidungen des BFH haben durchaus Weisungswirkungen. Hierauf können sich dann auch Steuerpflichtige berufen und sich die richterliche Argumentation zunutze machen. Das macht aber nur Sinn, wenn das Finanzamt in vergleichbaren Fällen zuungunsten entscheidet.

    Wichtig ist, dass im Zweifel die Fälle durch Einspruch gegen die Steuerbescheide offen gehalten werden. Sind die Steuerveranlagungen dann nicht mehr änderbar, können die Steuerpflichtigen die zu viel abgeführten Steuern nicht mehr zurückholen.

    Immer wieder finden Aktiensplits namhafter, ausländischer Unternehmen statt, die fast jeder im Depot hat. Schau daher auch unbedingt in meinen vorhergehenden Blogartikel: "Wissenswertes rund um Aktiensplits."

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