Die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG

Die Wegzugsbesteuerung

Die Wegzugsbesteuerung ist wohl eine der bekanntesten Steuern, wenn es um eine bevorstehende Auswanderung in das Ausland geht. Das liegt auch daran, dass das Finanzamt diese Vorgänge wegen der Meldepflichten in Deutschland recht einfach erkennen und entsprechende Konsequenzen ziehen kann.

Aber was genau ist die Wegzugsbesteuerung und für wen greift sie eigentlich? Dieser Blogartikel soll dir einen Überblick verschaffen und zeigen, wann du dir den § 6 AStG genauer anschauen solltest.

1. Was ist die Wegzugsbesteuerung?

Bei deiner Auswanderung als Gesellschafter sollen stille Reserven, die während der Zeit im Inland entstanden sind, besteuert werden. Damit will der deutsche Fiskus sein Besteuerungsrecht an dem entstandenen Gewinn sicherstellen, bevor du das Inland verlässt.

1.1 Für wen gilt § 6 AStG?

Die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG gilt ausschließlich für Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft. Damit greift sie stets auf Ebene des Gesellschafters – aber eben nicht auf Ebene der Gesellschaft (Stichwort hier: Entstrickungsbesteuerung).

Voraussetzungen der Wegzugsbesteuerung sind demnach, dass du:

  • eine wesentliche Beteiligung an einer inländischen oder ausländischen Kapitalgesellschaft
  • im Privatvermögen hast

Hast du diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist die Wegzugsbesteuerung für dich auch nicht relevant.

Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 und Abs. 2 AStG schauen wir uns nachfolgend genauer an.

1.2 Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 und Abs. 2 AStG

1.2.1 Persönliche Voraussetzungen

Es ist ausschließlich der folgende Personenkreis betroffen:

(1) unbeschränkt steuerpflichtige


Damit ist die Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG gemeint, wenn du in Deutschland deinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hast.
Andere Arten der Steuerpflicht entfallen; also keine erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht i.S.d. § 1 Abs. 2 EStG und keine fiktive unbeschränkte Steuerpflicht i.S.d. § 1 Abs. 3 EStG.

(2) natürliche Person

Beachte hierbei:
– die Staatsbürgerschaft ist irrelevant
– der Wegzug einer juristischen Person fällt nicht hierunter


1.2.2 Zeitliche Voraussetzungen

Mindestens 7 Jahre unbeschränkt steuerpflichtig innerhalb der letzten 12 Jahre

Warst du mindestens 7 Jahre innerhalb der letzten 12 Jahre in Deutschland wohnhaft und damit unbeschränkt steuerpflichtig?

Fragst du dich, warum die Formulierung so umständlich ist?
War dein Wohnsitz oder dein gewöhnlicher Aufenthalt zum Beispiel im Ausland und führte dies zur Unterbrechung der unbeschränkten Steuerpflicht, erfolgt eine Zusammenrechnung. Es sind dabei die Zeiträume der unbeschränkten Steuerpflicht innerhalb dieses 12-Jahreszeitraums zu betrachten und zusammenzurechnen. Kommst du insgesamt auf mindestens 7 Jahre, ist die Voraussetzung erfüllt.


1.2.3 Sachliche Voraussetzungen

Wesentliche Beteiligung an Kapitalgesellschaft (§17 EStG)

Hier müssen die (zusätzlichen) Voraussetzungen des § 17 EStG erfüllt sein:

1. Es liegt eine Beteiligung an einer inländischen oder ausländischen Kapitalgesellschaft vor.

2. Die Anteile müssen im Privatvermögen gehalten werden.

3. Der Anteilseigner muss unmittelbar oder mittelbar in den letzten fünf Jahren zu mindestens 1 % beteiligt gewesen sei


1.2.4 Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht

Wie unter 1.2.1 erwähnt, liegt eine unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 EStG) vor, wenn du deinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hast. Aufgrund deines Wegzugs ins Ausland endet also dann deine unbeschränkte Steuerpflicht.

Beachte: Nach dem Wegzug darf weder ein Wohnsitz noch ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland vorliegen.

Hinweis

Die Wegzugsbesteuerung greift erst, wenn sowohl
Wohnsitz als auch gewöhnlicher Aufenthalt aufgegeben wurde. Dabei muss beides nicht an einem Tag erfolgen. Beispiel: Wird der Wohnsitz erst später abgemeldet, der gewöhnliche Aufenthalt ist aber bereits aufgegeben (oder umgekehrt), gilt der letztere Zeitpunkt.


2. Rechtsfolgen von § 6 AStG

2.1 Besteuerung

Die Besteuerung nach § 6 AStG wird mit der Rechtsfolge des § 17 EStG bei der tatsächlichen Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften aus dem Privatvermögen gleichgestellt. Mit deinem Wegzug wird ein fiktiver Veräußerungsvorgang ausgelöst.

Mit der Besteuerung des fiktiven Veräußerungsgewinns liegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor.

2.2 Ermittlung Veräußerungsgewinn

Der fiktive Veräußerungsgewinn wird durch den Marktpreis bzw. nach dem Gemeinen Wert (§ 11 BewG) ermittelt. Die Ermittlung und Bewertung deines Unternehmens sollte für Dokumentationszwecke immer erstellt werden.

Der Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt.

Für die Ermittlung werden von deinem ermittelten Marktpreis die Anschaffungskosten und etwaige nachträgliche Anschaffungskosten (vgl. § 17 Abs. 2a Satz 3 EStG) abgezogen. Unter den Anschaffungskosten fallen in der Regel das Stammkapital und beträgt in den meisten Fällen 25.000 € (Stammkapital einer GmbH).

Nebenkosten, die bei der Anschaffung als auch bei der Veräußerung (zum Beispiel Kosten für die Unternehmensbewertung) anfallen, sind ebenfalls zu berücksichtigen.

Hieraus ergibt sich also folgende Formel für die Ermittlung:

Marktpreis / Gemeiner Wert
./. Veräußerungskosten sowie Nebenkosten
./. Anschaffungskosten, nachträgliche Anschaffungskosten sowie Nebenkosten (vgl. § 17 Abs. 2a EStG)
= Veräußerungsgewinn

2.3 Ermittlung der Steuer

Die Ermittlung der Steuer erfolgt nach dem Teileinkünfteverfahren im Sinne des § 3 Nr. 40 EStG. Hiernach werden 60 % des Veräußerungsgewinns mit deinem persönlichen Steuersatz belastet.

Nach § 17 Abs. 2a EStG gibt es einen Freibetrag von 9.060 €, welcher jedoch nochmal reduziert wird. Die Reduzierung erfolgt nach einer bestimmten Formel. Nachteil ist dabei, dass der Freibetrag dadurch ab einem bestimmtem Veräußerungsgewinn (ca. 45.160 €) ins Leere geht.

Tipp: Gute Dokumentation der Höhe der Wegzugssteuer macht sie weniger angreifbar für das Finanzamt.

Hinweis: Saldierungsverbot

Hast du unterschiedliche Anteile, die der Wegzugsbesteuerung unterliegen, ist jeder Anteil für sich zu betrachten und zu bewerten. Entstehen sodann bei der Ermittlung sowohl fiktive Veräußerungsgewinne als auch fiktive Veräußerungsverluste, ist eine Saldierung ausgeschlossen.

3. Zahlung / Stundung

Es gibt die folgenden drei Möglichkeiten im Rahmen der Wegzugsteuer:

3.1 Sofortzahlung

Eine Sofortzahlung macht Sinn:
a) wenn die Wegzugsteuer 0 € beträgt oder
b) du die Wegzugssteuer aus wirtschaftlichen Gründen vertreten und begleichen kannst.

Vorteil: Die Überwachung der Widerrufsregelungen und die Beachtung der Meldepflichten entfällt.


3.2 Ratenzahlung

Eine Ratenzahlung macht Sinn, wenn es sich um einen wesentlichen Betrag der Wegzugsteuer handelt. Oder aber wenn die Höhe der Wegzugsteuer nicht klar ist und es noch Unsicherheiten dazu gibt.
(vgl. Teil 6).

Voraussetzung: Antrag
Per Antrag ist eine Zahlung über 7 Jahresraten gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 AStG möglich. In Satz 2 heißt es: “Dem Antrag ist in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung stattzugeben.” Knackpunkt in der Formulierung ist “in der Regel” und das bedeutet, dass die Beurteilung über eine Sicherheitsleistung im Ermessen der Finanzbehörde liegt.
Der Antrag sollte mit der Abgabe deiner Steuererklärung gestellt werden (inkl. Verlängerungsantrag auf 12 Jahre für die Rückkehrregelung).

Beachte hierzu: Widerrufsregelungen und Meldepflichten


3.3 Vollständige Stundung

Eine vollständige Stundung kommt nach § 6 Abs. 4 Satz 7f AStG in Betracht, wenn eine tatsächliche, geplante Rückkehr beabsichtigt ist.

Voraussetzung: Antrag
Auch hier wird wieder ein Antrag vorausgesetzt und so heißt es in § 6 Abs. 4 Satz 7 3. Halbsatz AStG:
“[…] die Erhebung von Jahresraten entfällt auf Antrag des Steuerpflichtigen […].”

Hinweis: Verzinsung
Für die Dauer des gewährten Zahlungsaufschubs (also für die Stundung) sind Zinsen zu erheben (§ 6 Abs. 4 Satz 8 AStG). Die Stundungszinsen (§ 234 AO) werden nach § 238 Abs. 1 AO ermittelt und betragen für jeden vollen Monat 0,5%. Das heißt, die Verzinsung liegt bei 6% pro Jahr.

Keine niedrigere Verzinsung

Der mittlerweile anzusetzende niedrigere Zinssatz von 0,15% für jeden Monat (1,8% pro Jahr) greift nicht bei
der Wegzugsbesteuerung.
Der niedrigere Zins gilt nur bei der Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen (§ 233a AO).


4. Problematik “Dry Income”

Bei deinem Wegzug ins Ausland wird bei dir als Gesellschafter eine fiktive Veräußerung deiner Gesellschaftsanteile angenommen.
Fiktiv deswegen, weil du diese tatsächlich nicht veräußerst. Dabei entsteht jedoch eine Steuerbelastung, obwohl kein Veräußerungserlös und damit Cash geflossen ist oder sogar künftig nicht fließen wird. Es entsteht das sog. Dry Income.

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